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AutorenbildSusann Seifert

Um die Wurst – Gespräche mit Senf dazu


Es ist Mittwochnachmittag, die Sonne scheint über dem belebten Marktplatz. Heute ist Wochenmarkt. Menschen stöbern an den Ständen durch frisches Obst und Gemüse, Schlüpfer und Unterhemden und wühlen in den reichlichen Auslagen von Gemischtwarenartikeln. Die Tische an der Bratwurstbude vor „Müller“ sind gut gefüllt – dort wollen wir hin.

 

Mit einer Tasse Kaffee in der Hand nähere ich mich einem der Tische. „Dürfen wir uns mit zu euch setzen?“, frage ich höflich. „Na klar. Wir haben die Stühle extra für euch freigehalten!“, antwortet ein freundlicher älterer Herr mit Schiebermütze und einem Bier in der Hand. „Das ist aber nett, vielen Dank“, erwidere ich, und er lächelt. „Ja, weil wir so sind.“

 

In kurzer Zeit sind wir zu viert, später zu sechst, in angeregte Gespräche vertieft. Zwei Stunden lang tauchen wir in Erinnerungen ein und diskutieren über aktuelle Themen. Manchmal regen wir uns auch richtig auf.

 

Der Badesee in Gerstenberg und Horst’s Kneipe, in der es immer eine Bockwurst gab. Das Nordbad, das mit einer erfolgreichen Unterschriftensammlung noch ein Jahr länger geöffnet blieb, bis es 2003 endgültig seine Türen schloss. Die Gaststätte „Zur gemütlichen Klause“, in der für 1,80 Mark wohlschmeckende Krautrouladen serviert wurden. „War das schön!“, schwärmt Eberhard mit leuchtenden Augen und einem Lächeln im Gesicht. Was ist geblieben? – „Nichts!“

 

Die Gespräche wechseln von nostalgischen Erinnerungen zu ernüchternden Realitäten. „Heute wird man sogar beim Scheißen beschissen“, stellt Walter trocken fest[AB1] : „Früher waren mal 200 Blatt auf der Rolle, heute sind es nur noch 140. Für den gleichen Preis ist einfach weniger in der Packung.“ Thomas, vor wenigen Minuten dazugestoßen, ist ebenso verärgert: „Die Werbung täuscht uns mit großen Sparprozenten, während die eigentlichen Kilopreise im Kleingedruckten verschleiert werden. Wo bleibt da der Verbraucherschutz? Dafür haben wir doch extra ein Ministerium.“ Klaus, ein anderer Tischnachbar, stimmt zu: „Als Rentner ist man in Deutschland voll am Arsch. Steuern und Mieterhöhungen verschlingen das ohnehin knappe Geld. Geld ist nur für Touristen und Ausländer da.“

 

Während wir an der Bratwurstbude sitzen, blicken wir in teils fragende, teils irritierte Gesichter von vorbeilaufenden Bekannten. Ja, ihr werdet uns jetzt öfter hier sehen, denke ich. Und ja, diese sechs Leute hier haben ihr Herz am rechten Fleck. Doch ihre Geschichten und Stimmen sind es, die in unserer Gesellschaft zu wenig Beachtung finden, denke ich weiter…

 

Trotz allem bewahren sie sich ihre Freundlichkeit und pflegen ein Stück Gemeinschaft – auch (oder gerade) an einer Bratwurstbude.

 

Nach zwei Stunden verabschieden wir uns. Die Gespräche wirken nach. Bei mir bleibt die Frage: Wie kommt das Strahlen in Eberhards Gesicht zurück – stellvertretend für alle, denen es genauso geht wie ihm?


Selbst Senf abzugeben? Gern auch süß!


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